Zu Gast im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 04. Apr 2025

Wie entsteht eine Radbekleidungsmarke? Worauf kommt es bei der Entwicklung innovativer Outdoor- und Fahrradbekleidung an? Wie kann Funktionsbekleidung ökologisch nachhaltig werden? Woher kommt die Motivation, nach draußen zu gehen und Rad zu fahren, wenn es wie in Squamish, dauernd regnet? Es gibt so viele Fragen, die man einem Mann wie Ian Martin, Mitbegründer und Head of Design bei 7mesh und vorher einer der Design Direktoren von Arc'teryx, stellen will.

Kurt: Du wurdest in der Einladung geoutet: Vor deiner Zeit bei 7mesh, das du mitbegründet hast, warst du Design Director bei Arc'teryx. Was machst du jetzt anders, was macht 7mesh besser als Arc'teryx?

Ian: Arc'teryx ist ein großartiges Unternehmen, ich hatte dort 12 fantastische Jahre. Wir hatten damals das Glück, eine eigene Fabrik zu haben, in der über 250 Menschen arbeiteten. So konnte ich viel über die Fertigung zu lernen und auch in die Entwicklung der Produkte einfließen lassen. Heutzutage ist es schwierig, diese Art von Erfahrung zu sammeln, weil die großen Hersteller in Asien Änderungen in den Abläufen nicht zulassen. 

In meiner Zeit bei Arc' habe ich viel gelernt. In gewisser Weise war unsere Unkenntnis dessen, was „normal“ war, unser größter Vorteil. Manchmal kann Erfahrung dich einschränken Ich denke, das passiert oft, wenn Unternehmen größer werden und Abläufe standardisiert. Versteh‘ mich nicht falsch, das kann den Output verbessern, aber auch Innovationen unterbinden. Es muss ein Gleichgewicht geben. 
Bei 7mesh haben wir einfach die Arbeit, die wir bei Arc‘ begonnen haben, in einem - wenn ich das so sagen darf - viel besseren System fortgesetzt. Kleine Teams, unbelastet von den Zwängen eines großen Unternehmens und dem damit verbundenen Ballast. Auf der anderen Seite haben wir auch alle Herausforderungen eines kleinen Unternehmens, müssen sehr kreativ werden, um unsere Design- und Innovationsziele zu finanzieren. 
Vor kurzem haben wir zwei ehemaligen Arc'teryx-Kollegen das neue Guardian-Programm (Anm.: neue Linie von Regenjacken ab Herbst `25) vorgestellt. Sie schauten sich die Jacken an und probierten sie. Dann sagten beide: „Genau so würde eine Arc'teryx-Jacke aussehen, wenn wir zehn Jahre Zeit für die Entwicklung hätten.“ Für mich war das das schönste Kompliment, denn es bestätigte unsere Einschätzung der Branche und des Mangels an Innovation. Ist dies die Ära der Marken, aber ohne echte Innovation? Es scheint so. 

K: Alle Gründer von 7mesh haben etwas Besonderes gemeinsam: Sie waren Teil des Managementteams von Arc'teryx, einer Outdoor-Marke. Warum habt ihr euch für den Radsport als Kernzielgruppe für eure neue Marke entschieden?

I: Ganz einfach, wir waren alle Radsportler, die dachten, dass es bei Radsportbekleidung noch so viel Raum für Innovation gibt. Als wir vor 11 Jahren mit der Marke begannen, konzentrierten sich viele Radsportunternehmen auf sublimierte Trikots mit wasseranziehendem Lycra und Drucken, nicht auf die Herstellung von Funktionsbekleidung aus technischen Stoffen mit innovativen Schnitten. Das war eine Gelegenheit! 

Wir wollten keine Bike Fashion machen, sondern Bekleidungsprobleme der Sportler lösen. Wir stellen am Anfang immer die Frage: Welches Problem soll das Teil lösen? Unser Designprozess beginnt dann mit der Auswahl von Stoffen. Wie kann der Stoff die Leistung des Benutzers verbessern? Kann er Feuchtigkeit besser ableiten? Hält er besser warm? Hat er eine hohe Luftdurchlässigkeit oder eine bessere Wasserbeständigkeit? Wenn wir nichts finden, das unseren Ansprüchen genügt, müssen wir das Material selbst entwickeln. Wir arbeiten eng mit Materialanbietern zusammen, um unsere Stoffe maßgeschneidert und wirkungsvoll zu gestalten. 

K: OK, WTV-Produkte sind die 7mesh-Bestseller bei VELETAGE. Könntest du uns erklären, wie du ein solches Projekt in Angriff nimmst? 

I: Wir haben WTV – das steht übrigens für Wind-Temperature-Ventilation -  2022 auf den Markt gebracht. Es hat Jahre gedauert, bis wir den richtigen Stoff gefunden hatten. Wir haben vier Entwicklungsrunden nur dafür gedreht, um den richtige Stoff zu finden. Denn es ist sehr schwierig, ein Polyestergewebe - was aufgrund der erforderlichen geringen Wasseraufnahme gewählt wurde - so weich zu machen, dass es sich angenehm anfühlt.  Und gleichzeitig einen geringen Elasthan-Anteil von nur 8% zu haben, damit es sich doch lange trocken anfühlt. Wir haben jetzt einen Stoff mit einer offenen Struktur, der einströmende Luft abweist, aber die feuchtheiße Luft auf der Innenseite nach außen entweichen lässt. Ein Stoff, der alle Erwartungen übertrifft. Wir haben festgestellt, dass man WTV einfach kaufen muss, wenn man es einmal ausprobiert hat. Es funktioniert einfach besser als alles andere auf dem Markt.

K: Derzeit wird viel über PFAS- und PFC-freie Stoffe diskutiert. Sie werden in Kürze verboten, auch in Europa. Alle eure kürzlich auf den Markt gebrachten Produkte sind bereits PFC-frei. Mir wurde jedoch gesagt, dass der Prozess sehr anspruchsvoll ist und nicht alle Produkte so funktionieren, wie sie sollten. Kannst du uns erklären, welche Art von Produkten wir in naher Zukunft erwarten können?

I: Das ist ein heikles Thema, ich werde versuchen, die Antwort kurz zu halten (lacht) Die Leute bringen PFAS mit DWR (Anm: Durable Water Repellent, also dauerhaft wasserabweisend) in Verbindung, und das ist im Allgemeinen richtig. Die meisten fluorierten DWR enthalten PFAS. Keines der nicht fluorierten DWR ist so leistungsfähig. Sie werden sehr schnell undicht!

Warum sind PFAS für wasserdichte, atmungsaktive Stoffe so wichtig? Weil sie ihre Ölbeständigkeit verbessern. Öl kommt auf viele Arten mit dem Stoff in Kontakt: von der Haut, aus der Umwelt und aus dem Waschmittel. Sobald eine wasserdichte Membran mit Öl kontaminiert ist, wird sie undicht, selbst bei leichtem Regen. Dies ist ein großes Problem, das alle PFAS-freien Kleidungsstücke betrifft. Das wird aber bei keiner der wichtigsten standardisierten Testmethoden zur Prüfung wasserdichter Stoffe berücksichtigt. Die Stoffe bestehen die Tests, sind aber nach einer Runde um den Block mit dem Hund undicht. Bei all unseren internen Tests haben wir nur zwei PFA-freie Membranen gefunden, die unsere Wasserdichtigkeitsstandards erfüllen. Eine davon verwenden wir schon unter anderem in Airmap Unser bevorzugter Stoff ist die neue Gore-tex ePE-Technologie. Sie ist dünner als alle anderen Optionen, lässt sich daher besser packen und ist leichter, und viel dauerhafter wasserdicht als die anderen. Der Verzicht auf PFAS schränkt zwar die Wirksamkeit von DWR ein und verringert die Atmungsaktivität insgesamt, aber im Vergleich zu den Alternativen ist es unschlagbar. Es erfüllt die Gore-tex-Garantie wirklich: dauerhaft wasserdichte Produkte. Damit machen wir unsere neue Guardian-Linie.

K: Gib mir zum Abschluss bitte einen Rat: Meine Motivation, bei Regen eine Ausfahrt zu machen, ist ziemlich gering. Die Heimat von 7mesh, die Pazifikküste Kanadas, ist bekannt für ihr schlechtes, regnerisches Wetter. Wie motivierst du dich?

I: Nun, wenn man dort, wo wir leben, nicht im Regen fährt, fährt man gar nicht, der Südwesten von British Columbia ist einer der regenreichsten Orte der Welt. Unser Motto lautet: „Bei jedem Wetter“, Wir haben uns dazu committed. Das motiviert uns persönlich auch, den besten Wetterschutz zu entwickeln. Rumpf und Beine haben wir schon sehr gut im Griff. Wir werden auch Kopf, Hände und Füße in nächster Zeit angehen. Damit du keine Ausrede mehr hast. (lacht)

K: Danke, Ian! Ich werde bis dahin bei Regen die Zeit am Sofa genießen.

Salon für Radkultur | Praterstraße 13, A-1020 Wien | salon@veletage.com | www.veletage.com
Di – Fr 11:00 – 18:00 | Sa 10:00 – 17:00