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Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 15. Apr 2022

Immer noch: Lieferkettenprobleme und Versorgungsengpässe bei Fahrrädern. Eine gute Metapher, um die Komplexität der globalen Wirtschaft aufzuzeigen.

Erinnert sich noch jemand an die „Ever Given“? Ja genau, jenes Containerschiff, das vorigen März im Suezkanal feststeckte - und dieses Nadelöhr der internationalen Handelswege sechs Tage blockierte.

Neben dem 400 Meter langen Riesenfrachter, dessen Bug sich in die Uferböschung gegraben hatte, brannte sich da noch ein Bild in das globale Bewusstsein ein: Die Ever Given zeigte, wie verletzlich Lieferketten sind. Wie rasch alles steht, wenn da ein Glied reißt, ein Rädchen blockiert. Und wie sehr das jede und jeden trifft.

Was das mit Radfahren zu tun hat? Viel. Nicht nur wegen jenes Memes, bei dem ein Pfeil auf einen Container des Frachters zeigte: „Deine Schaltgruppe ist genau hier.“ Der Witz war keiner: Die (angeblich) auf der Ever Given liegenden Schaltgruppen – und damit das Rad an sich – wurden zum Erklärmodell für globale Lieferketten.

Geschichten von Fahrradhändlern, die Kunden im Sommer 2021 auf Liefertermine im Herbst einschworen „aber: Herbst 2022“, fanden sich alsbald in vielen Medien. Klagelieder von nicht lieferbaren Ketten oder Bremsbelägen ebenso. Wer ein Kinderrad einer angesagten Marke sucht, zahlt für Gebrauchtbikes oft immer noch mehr, als für Neuware – die es eh kaum gibt.

An der Ever Given liegt das natürlich nicht: Vor der Havarie kam Corona. In den Lockdowns entdeckten Städterinnen und Städter das Fahrrad. Doch schon in den Jahren zuvor war der Bike-Boom im „Mainstream“ angekommen. Die Klimakrise und der Dauerstau im Stadtverkehr, aber auch der Mega-Hype um E-Bikes hatten das Fahrrad zum Sehnsuchtsobjekt aller Mobilität gemacht: Der Absatz stieg mancherorts um bis zu 40% an – und das über drei, vier Jahre hinweg. Der Handel tat, was logisch war: Er orderte vor Saisonbeginn mehr und mehr Räder bei den Herstellern – und die fuhren die Produktion hoch.

Dann kam Corona: Während in Europa noch mehr Menschen aufs Rad wollten, mussten in Fernost große Werke in den Lockdown. Aber auch wenn nur ein Kleinteil fehlte, stand alles. Ein Beispiel? Im Frühsommer 2020, der für Indoor-Fahrräder eigentlich toten Saison, wurden in Europa mehr „Smart Trainer“ bestellt als sonst das Jahr über weltweit. Smarttrainer haben einen Chip. Der ist meist ident mit dem bekannter Smartphone. Die wenigen Werke, die ihn produzieren, waren mit der Handychipherstellung aber bis Jahresende voll ausgelastet.

Ähnliche Geschichten lassen sich für fast alle Bike-Teile erzählen: Ketten, Bremsen, Reifen – sogar Speichen. Die Produktion war überall längst am Anschlag. Doch die Nachfrage stieg bei „normalen“ Bikes exorbitant und explodierte bei den E-Rädern – und im Lockdown fehlte dann eine Kleinigkeit – oder man musste zusperren.

Der nächste Schritt war klar: Ein seriöser Hersteller, der sieht, dass er heuer nicht liefern kann, reduziert die bespielbaren Mengen für das Folgejahr. Manche Händler konnten plötzlich nur ein Drittel ihrer Vor-Corona-Ordervolumina vorbestellen. Gleichzeitig rannten ihnen die Kunden die Bude ein …

Wieso das bei Fahrrädern so viel sichtbarer ist als – zum Beispiel – bei Autos? Weil der Automarkt bestenfalls stagniert. Der Radmarkt ist explodiert. Und viel kleinteiliger. Beispiel Marktführer Specialized versus Volkswagen. Fragen? Außerdem sind Autokäufer Wartezeiten bei Sonderwünschen schon lange gewohnt.

Wie es nun weiter geht? Es wird besser. 2023.  Wenn nicht ein neuer Lockdown oder, so wie jetzt, ein Krieg auch alle friedlichen globalen Wirtschaftszusammenhänge weiter massiv in Mitleidenschaft zieht.

Am wenigsten betroffen ist von Wartezeiten und Engpässen übrigens, wer sich für Nischenmarken aus kleinen Läden statt Mega-Ketten interessiert: Kleine Manufakturen können flexibel und kurzfristig, fast auf Zuruf, bauen und liefern. Riesenwerke mit tausenden Mitarbeitern dagegen müssen Logistik, Produktion und Ressourcenmanagement lang- und längerfristig planen. Das macht unbeweglich: Da genügt oft eine Kleinigkeit – und alles steht. Mit einem Rattenschwanz an Folgeproblemen.

So wie bei der Ever Given.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Radkultur – von Kurt Stefan
Fr | 15. Apr 2022

Revolutions

von Hannah Ross

Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten
- ein Literadurtipp

In REVOLUTIONS erzählt Hannah Ross die Geschichte des Fahrrads aus weiblicher Perspektive. Sie führt uns von den Anfängen des Radfahrens im 19. Jahrhundert, als Frauen unglaubliche Widerstände überwinden mussten, bis in die Gegenwart und rund um die Welt, von Europa und den USA bis in den Nahen Osten, nach Indien und Australien, erzählt die inspirierenden Lebensgeschichten vieler außergewöhnlicher Rad-Pionierinnen, Rennfahrerinnen, Feministinnen und Abenteurerinnen.

Wir finden, eine sehr interessante Lektüre, wenn uns über Ostern in Wien der kalte Nordwind um die Ohren pfeifen wird. Und vielleicht Inspiration, sich trotzdem aufs Fahrrad zu setzen.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 15. Apr 2022

Zu den von Tom erwähnten klein(er)en Herstellern gehört zweifelsohne auch 3T.

Aktuell haben wir die beiden Bestseller EXPLORO Race und EXPLORO Max lagernd. Lasst euch von den Fotos inspirieren! Selbst einen ersten Rahmensatz des letzte Woche vorgestellten EXPLORO Ultra haben wir bereits bekommen. Und auch die entsprechenden Komponenten, um euch ein Wunschbike aufzubauen. Also: Kommet Schön Schnell!

EXPLORO Max Eagle AXS 
€6.399,00

EXPLORO Race Force AXS 2x
€6.499,00

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 18. Mär 2022

ROTTE ROLLT
– EINE ANKÜNDIGUNG

VON TOM ROTTENBERG

Natürlich können wir jetzt darüber diskutieren, ob die Welt eine weitere Radkolumne braucht. Nicht nur, weil es davon eine Menge gibt, sondern auch, weil es wenige Lebensbereiche des Alltages gibt, in denen das Gut-Böse-Gefüge schon jetzt klarer strukturiert ist als im Straßen­verkehr. Kaum sonst wo definiert der Standort den Standpunkt augenscheinlicher als in Mobilitätsfragen: Idioten, Schuld und „der Stau“ sind immer die anderen.

Die Frage ist immer die gleiche: Wen will man erreichen – und mit wem redet man tatsächlich? Auch wenn Sie jetzt nicken und sagen, dass es eine Binsenweisheit der - jeder! – Kommunikation sei, zu wissen, mit wem man wie spricht, heißt das keineswegs, dass das in der Praxis beherzigt wird. Nein, auch nicht in der professionellen.

Radkolumnen, aber auch Rad-Foren, eignen sich hervorragend zur Polarisierung und zum Einbetonieren eigener Position. Hier kann man vor und mit Verbündeten polemisieren. Aber auch der „Feind“ weiß, dass man genau hier die beste „Munition" findet. Wo sonst lässt sich jedes (Vor)urteil, jedes Klischee, treffsicher bestätigen?

Braucht es da also eine weitere Radkolumne, noch eine Plattform? Wir meinen: Ja. Nicht zuletzt, um zu betonen, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist. Um zu sagen, dass Grau- und Zwischentöne wichtig sind. Grelle Farbtupfer. Und mitunter auch Ein- und Widerspruch.

Nicht, weil es nicht wichtig oder gar falsch wäre, auf jenseitige Wegeplanung, gestrige Mobilitäts­politik, veraltete Verkehrskonzepte und groteske (Straßen-)Rechtsnormen hinzuweisen. Sondern weil auch da das „Wie“ zählt. Das Wie, das Narrativ, definiert, wen man erreicht – und wen nicht: In einem positiven Umfeld wie dem von Veletage und Velozette muss auch das Fröhliche, das Schöne und das Lebensbejahende in den Vordergrund gerückt werden.

Darf das Lächeln beim und die Freude am Radfahren nie fehlen. Und soll der Blick auf Lösungen gerichtet sein: Jammern allein bringt niemanden weiter. Holt niemanden aufs Rad. Wird die Welt auch sonst nicht retten.

Weil es am Rad längst weniger Gründe zum Jammern als zum Jubeln gibt – sonst würden wir nämlich alle nicht Radfahren. Egal im Alltag und im Verkehr, in der Freizeit oder mit sportlichem Ehrgeiz. Radfahren ist physikalisch eine Übung, in der es gilt, das Gleichgewicht zu finden und zu halten. Ohne diese Balance wäre einspuriges Vorwärtskommen nicht denkbar.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 18. Mär 2022

Suplest

Neu im Salon!

Klein und fein, gegründet von zwei Rennrad-Nerds, noch immer eigentümergeführt, Premiumqualität! Nein, wir reden nicht von uns selbst oder zumindest von unserem Selbstbild. Wir sprechen von SUPLEST, der vielleicht kleinsten Radschuhmarke der Welt, die 2007 von Thomas Gehrig und Daniel Balmer in der Schweiz gegründet wurde. Ihre Schuhe sind aus unserer Sicht mit das Beste, was man an Radschuhen aktuell bekommen kann. Unglaubliche Passform, auch für einen mitteleuropäischen Fuß, sehr steife Sohle, bei den Topmodellen noch mit einer SOLESTAR-Einlegesohle ausgestattet.

Road Pro Edge+ Carbon
€359,00

Salon für Radkultur | Praterstraße 13, A-1020 Wien | salon@veletage.com | www.veletage.com
Di – Fr 11:00 – 18:00 | Sa 10:00 – 17:00